Wohin Die Liebe Führt Auszug – Virna DePaul

Wohin Die Liebe Führt Auszug

Das Großartige am weiten Pazifik war nicht, wie majestätisch er an einem wolkigen Novembermorgen aussah. Es waren nicht die Wellen, die weiße Schaumkronen trugen, wenn er launisch war, und auch nicht der Anblick der sinkenden Sonne am Ende eines langen Tages. Es war der Stolz, den das Meer dabei ausstrahlte.

Mit seinen fünfundzwanzig Jahren war Conor O’Neill zu dem Schluss gekommen, dass er, falls er sich jemals verlieben und jemals einer Frau, die nicht seine Mutter war, diese magischen drei Worte sagen sollte – dann würde es eine Frau sein, die genauso stolz wie der Pazifik war.

Das Meer fragte nicht scheu, es war nicht unsicher, wohin es gehen und wie es leben sollte.  Es driftete nicht ziellos von Land zu Land. Es wusste einfach, was zu tun war, wie es sein sollte, und tat all das ohne Reue, ganz gleich, ob es friedlich war oder wütend oder irgendetwas dazwischen.

Als Con die Wellen von seinem Liegestuhl auf der Veranda seines neuen Surfladens in Timber Cove, Kalifornien beobachtete, fragte er sich, ob er jemals eine Frau finden würde, die ihn erden und ihn mit demselben Staunen erfüllen konnte wie das Meer, wann immer er sie sah. Das Gefühl, gleichzeitig zu Hause und dennoch sorglos frei zu sein. Er warf einen Kieselstein und beobachtete, wie er über den Sand hüpfte.

Wohl kaum. Con war mit vielen wunderbaren Frauen ausgegangen, doch der einen war er noch nicht begegnet, die ihn in Versuchung geführt hätte, sein Wanderleben aufzugeben. Vielleicht kam das daher, weil es einfach schwer war, jemanden zu finden, der seiner Mom, die vor gerade mal zwei Monaten gestorben war, das Wasser reichen konnte. Die Königin seines Herzens hatte einen hohen Standard gesetzt. Oder vielleicht war es, weil er selbst das Leid gespürt hatte, das man erlebte, wenn man zu sehr an einem Menschen hing, besonders wenn es ein Partner oder ein Kind war.

Er hatte gesehen, wie sehr sein Bruder am Boden zerstört gewesen war, nachdem er zuerst sein Baby Ryan und dann seine Frau Elizabeth verloren hatte, als unfassbares Leid ihre Ehe zerrissen hatte. Er hatte gesehen, wie seine Mom den Tod seines Dads betrauert hatte. Und natürlich litt Con noch immer unter dem Tod seiner Mutter, die mit nur fünfzig Jahren an einer Gehirnblutung gestorben war. Viel zu früh. Er wusste nicht, ob er es auch noch ertragen könnte, jemals Frau oder Kind zu verlieren.

Zu viel Schmerz, dachte er. Es fiel ihm schwer, sich vorzustellen, alles auf eine Karte zu setzen. Auch wenn er seine Mom und seinen Dad geliebt hatte, genauso wie er seine vier dämlichen Brüder liebte, war es vielleicht besser, nicht zum Leid beizutragen, das Familien manchmal ungewollt auslösten. Anders als sein ältester Bruder Quinn, der vor kurzem einen Fernbeziehungs-Tanz mit seiner Freundin in Miami angefangen hatte, kam Conor zu dem Schluss, sein eigenes Ding machen zu wollen, unbelastet und frei, ohne Wellen zu schlagen.

Anders als der Pazifik.

Ein Tag nach dem anderen war sein Motto, und heute wartete er auf die Kids, die zum Anfänger-Surfkurs angemeldet waren. Er hatte den Surfladen gerade erst vor drei Wochen von seinem Vermieter übernommen und sich schon in die kleinen Gauner verliebt; das Beste war immer das Ende des Kurses, wenn sie nach einer Menge Spaß mit strahlenden Gesichtern mit ihren Eltern nach Hause gingen.

Keine Schlafenszeit-Dramen, keine Hausaufgaben, um die er sich kümmern musste. Nur er, seine Musik und eine Flasche Parker House Shiraz direkt aus den fruchtbaren Hügeln von Green Valley.

Und das Meer natürlich.

Auf das Meer konnte er sich immer verlassen.

Noah war der erste. Er war ein cleverer Junge, elf Jahre alt, missverstanden von seiner Mom und seinen Geschwistern. Als mittleres Kind wurde er meistens ignoriert, bekam jedoch immer dann die Schuld zugeschoben, wenn etwas schief ging. Conor konnte sich damit identifizieren. Noahs Mutter hatte angefangen, ihn zum Surfunterricht zu bringen, als sein Therapeut vorgeschlagen hatte, dass ihm eine Aktivität guttun würde, der er alleine nachgehen konnte; etwas, das ihn stolz machte.

Seine Mutter, eine ziemlich heiße Braut, die immer einen Pferdeschwanz und Yogahosen trug, winkte ihm von ihrer Luxuslimousine aus zu, während Noah mit seinem Surfboard über den Strand getrottet kam. Wie Con trug er immer einen Neoprenanzug. „Hey“, sagte er.

„Bereit für die Wellen, kleine Made?“ Con sprang die Stufen vom Laden hinunter und landete mit seinen Füßen im kalten, feuchten Sand. Er zerzauste Noahs zottige braune Haare, die ihm in die Augen fielen.

„Warum bezeichnest du uns eigentlich immer als Maden? Kannst du uns nicht leiden?“

„Made ist ein vollkommen legitimer Ausdruck. Noah. Es bedeutet so viel wie Bruder, Kumpel, Typ, den ich mag.“

„Ich bin mir so ziemlich sicher, dass er Fliegenlarve bedeutet, Mr. O’Neill.“

Conor lachte. „Con.“ Er beobachtete, wie zwei Autos anhielten und zwei weitere Schüler ablieferten – einen Jungen und ein Mädchen. „Ich hab dir doch gesagt, dass du mich Con nennen sollst.“

„Mr. O’Neill, haben Sie meinen Kratzer gesehen? Sehen Sie?“ Noah schob den Ärmel seines Neoprenanzugs hoch, um ihm eine lange, rote Spur zu zeigen. „Das war meine Katze, als ich mit ihr am Veterinärstag gerauft habe. Mom sagt, dass sie immer noch ein Teenager und deshalb launisch ist.“

„Dann solltest du vielleicht besser nicht mit ihr raufen“, bemerkte Con und dachte Veterinärstag? Ah, der kleine Gauner meinte Veteranentag oder Rememberance Day, wie der Tag in Irland genannt wurde, auch wenn er dort kein offizieller Feiertag war. Conor lächelte Miquelle und Wenzel an, die über den Sand auf sie zu gerannt kamen. „Also gut, meine Herren, meine Dame, dann wären wir ja vollzählig. Sollen wir anfangen?“ Er klatschte in die Hände, um sich zu motivieren, doch er war sich nicht sicher.

Miquelle umarmte Cons Bein, dann wirbelte sie ihr pink-gelbes Surfboard wie eine Drehtür herum. „Meine Mom sagt, du hast einen sexy Akzent, doch mein Dad meint, du bist ein zielloser Gammler. Was bedeutet das?“

„Sexy bedeutet, dass ich in meinem Neoprenanzug umwerfend aussehe. Auf geht’s jetzt!“ Con blickte hinaus aufs Meer, als er die Kinder ans Wasser führte. Oben an der Straße hielten noch zwei Autos in der Nähe der großen Felsen an, doch all seine Schüler waren bereits da.

Miquelle lachte. Sie hatte in den wenigen bisherigen Unterrichtsstunden bereits Cons Humor begriffen.

„Sie will wissen, was ein zielloser Gammler ist“, sagte der zehnjährige Wenzel, der sein Surfboard durch den Sand hinter sich her schleifte.

„Ich weiß, was sie meint, Schlauberger. Ich habe nur einen Witz gemacht. Es bedeutet…“ Er drehte sich zu Miquelle um, die links neben ihm her lief. „… dass dein Dad mich nicht sonderlich gut kennt. Ich bin nämlich ein ziemlich scharfsinniger Geschäftsmann in der Gestalt eines ziellosen Gammlers. Das macht meinen Charme aus.“ Er warf ihr ein schiefes Lächeln zu.

Zumindest hoffte Con darauf, genau das zu werden – ein scharfsinniger Geschäftsmann. Er hatte das Meer schon immer geliebt, doch nachdem er Dublin verlassen hatte, um nach Green Valley zu gehen, hatte er seine Liebe zum Pazifik mit dem Kindheitstraum seiner Mutter vereint, eines Tages einen Surfladen zu eröffnen. Dadurch fühlte er sich ihr näher, denn es betäubte seine Trauer ein bisschen, doch es gab ihm auch einen Lebensmittelpunkt in einem fremden neuen Land, etwas, das seine Brüder in Form der Vorbereitungen für ihr neues Restaurant, The Stylish Irish, gefunden hatten, weniger als eine Stunde entfernt in Forestville. Die offizielle Eröffnung sollte am Donnerstag sein, und Con hatte keinen Zweifel daran, dass es eine große Sache werden würde, auch wenn einige Leute in Green Valley die O’Neill-Brüder nicht gerade mit offenen Armen aufgenommen hatten. Unter diesen Miesepetern war unter anderem auch ihr Großvater mütterlicherseits.

Egal.

Con und seine Brüder bildeten eine geschlossene Front; trotz gelegentlicher dummer Streiche und belangloser Streitereien (und davon gab es eine Menge) waren sie unzertrennlich. Auch wenn Con eine Stunde entfernt lebte, kamen die fünf mindestens einmal pro Woche zusammen, um Schwarzgebrannten zu trinken, und Con hatte im vergangenen Monat freiwillig viele Stunden im Restaurant gearbeitet. Er war stolz auf seine Brüder, auch wenn sie –genau wie ihr Dad – ihn nicht wirklich verstanden.

Für sie würde er immer der flatterhafte Träumer bleiben, der auf seltsame Dinge wie Yoga und Meditation stand. Brady hatte die Augen verdreht, als er erfahren hatte, dass Con einen Surfladen eröffnen würde, und die Zwillinge hatten gescherzt, dass Con das nächste Familienmitglied wäre, das ins Gras beißen würde – aufgrund einer Haiattacke. Doch Con wusste, dass seine Brüder jederzeit hinter ihm standen.

Sein Dad dagegen…

Wann wirst du endlich einen gottverdammten Fisch aus dem Wasser ziehen?, hatte sein Dad ihn vor zwei Jahren im Büro des Familienrestaurants The Crazy Yankee angebrüllt. Wann hast du vor, endlich mal eine verdammte Sache durchzuziehen, Con? Es hatte nicht gut geendet. Danach hatten sie tagelang nicht miteinander geredet, und ein paar Wochen später war das Yankee von einem Brand verwüstet worden und Dad war an einem Herzinfarkt gestorben.

Er hoffte, dass sein Dad ihn jetzt sehen konnte. Mom war immer stolz auf ihn gewesen und hatte ihn bei jeder Gelegenheit verteidigt. Doch Dad? Wahrscheinlich würde sein streng katholischer Vater ihn dafür schelten, dass er sonntags Surfunterricht gab, nachdem das ja der Tag des Herrn war und so weiter.

Con seufzte und schloss die Augen.

Als er sie wieder öffnete, war seine Begeisterung zurück. „Okay, stellt euch auf, Füße auseinander, und dann will ich euch stretchen sehen. Streckt euch hoch in den Himmel, auf geht’s…“ Er stellte sich vor seine drei Schüler und streckte die Arme aus, dann reckte er sich in Berghaltung gen Himmel, als wollte er die Wolken pflücken; danach berührte er mit den Fingerspitzen den Sand. Die Kinder machten es ihm nach und folgten ihm durch die Hund-, die Krieger-, die Dreiecks- und Kindhaltung und atmeten und lauschten den Wellen. Con war stolz auf seine Kids.

Etwa zwanzig Meter weiter sammelte sich eine kleine Gruppe bei den großen Felsen. So wie es aussah, waren es Braut und Bräutigam. Sie hatten Cons Surfklasse den Rücken zugedreht, doch die Braut trug das aufwändigste Brautkleid, das er je gesehen hatte. Um sie herum flatterten die zart grünen Kleider der Brautjungfern im Wind, die sich mit rosa Blumensträußen in der Hand auf kleinere Felsen drapierten, während die Männer in Smokings wie ein Haufen Bekloppter herumblödelten.

Ihnen gegenüber stand ein Fotograf um die Fünfzig, mit dicken, zerzausten Haaren und Bierbauch, und wartete darauf, dass sich der Haufen endlich zusammenriss.

Die Braut warf Con verächtliche Blicke zu, während der Bräutigam immer wieder seine Fingernägel kontrollierte, während die anderen versuchten, sich zu organisieren. Doch das Interessanteste an der bunt gemischten Gruppe war ein feines Exemplar von einer Frau, die den anderen gegenüber stand und die anderen begleitet von Gesten herumkommandierte. „Da, genau so, nein, nicht so, anders rum.“ Sie blickte zu Con herüber und seufzte entnervt. „Nach links. Nein. Warte. Ich mach das.“

Con schloss die Augen und tat so, als wäre sie nicht auf dem Weg zu ihm, auch wenn das bisschen, das er bisher von ihr gesehen hatte, kaum zu ignorieren war. Kurven, Bamm! Sexy kastanienbraunes Haar, das sie zu einem Chignon hochgesteckt hatte, Bamm! Perfektes Makeup, auch wenn sie ein bisschen stärker geschminkt war, als er es gewohnt war, Bamm! Doch was ihn am meisten erstaunte: ihre hohen Absätze hier, am Strand. Wie konnte sie mit denen nur am Strand laufen? Con hatte keine Ahnung.

„Lasst allen Stress hinter euch“, sagte er zu seinen Schülern. „Vergesst die Hausaufgaben, den Rüpel in der Schule, vergesst eure Geschwister, die euch nicht kapieren. Das Meer versteht euch…“ Con atmete ein. „Schließt eure Augen, und hört den Wellen zu. Lauscht auf das Rauschen des –“

„Ähem.“

Con atmete aus.

Und öffnete ein Auge.

Das elegante Pin-Up Girl stand da, eine Hand in die Taille gestemmt. Ein schneller Blick bestätigte, dass sie keinen Ring am Finger hatte. Sie trug einen schlichten schwarzen Rock und eine Spitzenbluse mit Ausschnitt, der den Blick auf ihre perfekten, vollen Brüste freigab, die zu einem atemberaubenden Dekolleté hochgepuscht waren. Die Kinder musterten sie, dann starrten sie Con erwartungsvoll an.

„Hallo?“, rief die Frau ein wenig entnervt.

„Atmet, Jungs und Mädels“, wiederholte Con und schloss seine Augen wieder. „Schiebt alle Ablenkungen von euch…“

„Können Sie mich nicht hören, oder ignorieren Sie mich einfach?“

Con blinzelte durch seine gesenkten Lider die gereizte Frau an. „Natürlich können wir Sie hören. Ist ja nicht so, dass Sie leicht zu ignorieren wären.“ Er warf ihr ein spitzbübisches Grinsen zu. „Ich hatte nur darauf gewartet, dass sie ein wenig höflicher sind. Kann ich Ihnen helfen?“

Sie schnaubte und presste die Lippen zusammen. „Ja, das können Sie. Meine Klienten da drüben wollen das Licht des Sonnenuntergangs für ihre Hochzeitsfotos nutzen. Würde es Ihnen etwas ausmachen, woanders hinzugehen, während wir das tun? Sollte nicht länger als eine Stunde dauern. Danke.“ Ohne eine Antwort abzuwarten, ging sie davon.

„Eine Stunde? Mehr habe ich nicht für meinen Unterricht hier!“

Die Frau blieb stehen und drehte sich wieder um. „Und das tut mir leid. Doch das Letzte, was meine Klienten gebrauchen können, ist ein Haufen Surfer im Hintergrund ihrer Fotos. Wenn Sie darum ein bisschen weiter hoch in Richtung der Bretterbude da gehen könnten?“ Sie deutete auf das Holzhaus, das neben seinem Laden The Big CeltHuna auch seine Wohnung beherbergte und zehn Meter weiter oben in Richtung Straße gelegen war.

„Dann wollen Sie also, dass ich meinen Surfunterricht da oben abhalte, wo kein Wasser ist?“ Con runzelte die Stirn.

Die Frau, die feiner war als alle reifen Trauben von Green Valley zusammen, feiner als alle Gemälde von Paris, verschränkte ihre Arme vor ihrer üppigen Brust und zog eine perfekt gezupfte Augenbraue hoch. „Was ich will“, sagte sie und ging mit kalkulierten Schritten auf ihn zu, „ist, dass Sie bitte woanders hingehen, damit Sie nicht die Fotos meiner Braut ruinieren. Verstanden?“

„Furie…“ Con richtete sich aus seiner Yoga-Haltung auf und ging langsam auf die Schicki-Micki-Tussi zu, bevor er nur Zentimeter vor ihr stehen blieb. Gott, sie war umwerfend schön – eine Porzellanpuppe mit dunklen Augen, dunklen Haaren und diese Lippen… „Ihre Braut hat ihre Fotos ganz allein ruiniert, indem sie diesen Rüschen-Fummel angezogen hat, das kann ich Ihnen versichern.“ Con schmunzelte, dann stimmten die Kinder in sein Lachen ein.

„Haben Sie…“ Die Frau neigte den Kopf und kniff ihre schönen Augen zusammen. „Haben Sie mich gerade Furie genannt?“

„Süßes Ding? Schmusekatze? Hölle auf High Heels?“ Er konzentrierte sich auf ihre vollen, rubinroten Lippen und wie sie sich darauf biss, als ihr Atem kaum merklich stockte. Er genoss den Effekt, den er selbst auf die zickigsten Frauen hatte.

„Ich habe keine Zeit für Spielchen“, zischte sie. „Verschwinden Sie endlich von unserem Strand.“

Wenn alles, was er in diesem Moment in ihren Augen gesehen hätte, Abscheu und Aufforderung gewesen wäre, hätte er einen höflichen Weg gefunden, ihr zu sagen, dass sie sich zur Hölle scheren sollte, doch als er sie betrachtete, bemerkte er, dass ihre Unterlippe zitterte und Panik in ihren Augen glitzerte. Er bemerkte auch, dass sie gegen die Versuchung ankämpfte, den Blick über seinen Körper schweifen zu lassen und wie ihre Wangen hübsch erröteten. Er entschied sich zu glauben, dass das von körperlicher Anziehung und nicht von ihrer Empörung kam. Das arme Ding versuchte scheinbar nur, es ihrer Klientin recht zu machen, auch wenn sie wirklich lernen musste, sich ein bisschen zu entspannen. Hier ging es verdammt nochmal nicht um Leben oder Tod.

Doch bevor er ihr gewährte, was sie wollte, konnte Con nicht anders, als sie noch ein bisschen mehr zu provozieren. „Was war nochmal das Zauberwort?“, fragte er wie ein Grundschullehrer. Hinter ihm kicherte Miquelle amüsiert.

Die feurige Frau starrte ihn ein oder zwei Herzschläge lang an, und ihre Sturheit hätte ihn beinahe grinsen lasen, während er sich fragte, ob sie es schaffen würde, das Wort über ihre Lippen zu bringen. „Bitte“, zischte sie schließlich zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor.

Er lächelte sie siegesbewusst an. „Ihr Wunsch ist mir Befehl, Hochzeits-Lady“, sagte er mit einer galanten Verbeugung, dann hob er sein Surfboard auf und hob es über seinen Kopf. „Na denn kommt mit, ihr Maden, lasst uns ein Stück weiter den Strand runter gehen. Habe gehört, da unten sollen die Leute netter sein.“ Er warf der Hochzeitsplanerin einen Blick hinterher, der es irgendwie gelungen war, in ihren zehn-Zentimeter-Absätzen bereits zehn Meter auf die Felsen zu über den Sand zu staksen, ohne dabei auch nur einmal zu wackeln.

Das nenn’ ich Klasse, dachte Con.

Die Frau hatte wirklich die Hosen an.

 

 

Die neue Stelle an einem geschwungenen Strandabschnitt, war außer Sichtweite der Hochzeitsgesellschaft und stellte sich als zum Lernen besser geeignet heraus, da es hier weniger Felsen gab und der Sand ebener war. Die Kids paddelten vergnügt hinaus, kletterten mit Leichtigkeit auf ihre Bretter, und es gelang jedem, mindestens eine Welle zu erwischen. Nur Noah war noch ein bisschen langsam, doch mit ein bisschen Übung würde er den Bogen schon noch rauskriegen.

Als die Kids vom kalten Wasser ordentlich durchgefroren waren, ihn umarmt und versprochen hatten, als „Hausaufgabe“ Videos professioneller Surfer anzusehen, bevor sie nach Hause gegangen waren, hatte die Sonne begonnen, unterzugehen, und die Hochzeitsgesellschaft am Felsen machte die letzten Aufnahmen. Conor zog seinen Wetsuit aus, wechselte in Shorts und ein Sweatshirt, öffnete ein Guinness und setzte sich auf die hölzerne Brüstung seines Ladens, um ihnen beim Einpacken zuzusehen.

Die feurige Hochzeitsplanerin war definitiv einen längeren Blick wert. Schade nur, dass sie so eine Zicke war. Dennoch hätte er gerne eine Nacht mit ihr verbracht, wenn sie Lust darauf gehabt hätte. Es war unmöglich, dass eine Frau mit derart Feuer im Bauch und Leidenschaft für ihren Job langweilig im Bett war. Das wird jedoch nie passieren, dachte er und stand auf, um ins Haus zu gehen und sich Abendessen zu machen.

Zu seiner Überraschung kam die Frau wieder in seine Richtung, und wieder lief sie über den Sand, als wäre es ein Catwalk. Sie kam näher, beobachtete ihn eindringlich, und er bemerkte den entspannteren Ausdruck auf ihrem Gesicht. Conor trank noch einen Schluck von dem schwarzen Gebräu, dann hüpfte er von der Veranda, um ihr mit neugieriger Miene entgegen zu gehen. „Schön Sie wiederzusehen.“

Tadellos gekleidet mit manikürten schwarzen Fingernägeln und einer Designertasche über der Schulter sah sie ihn verlegen an. „Ich wollte mich wegen vorhin entschuldigen. Ich muss mich wie eine Megazicke angehört haben.“

„Ach was…“, winkte Connor ab. „Natürlich nicht. Alles okay.“ Wow. Eine Frau, die sich entschuldigte? Dann war es also doch wahr. Amerika war voller erstaunlicher neuer Dinge.

Sie warf ihm einen zweifelnden Blick zu. „Es ist nur, dass wir die Aufnahmen wegen diesem verdammten Nebel schon ein paarmal haben verschieben müssen, und heute, wo wir endlich einen klaren Tag haben, hätte ich es beinahe nicht hier raus geschafft – ich wohne zwei Stunden weit weg – und die Braut hat einen hysterischen Anfall bekommen.“

Sie ließ Dampf ab, und Conor fühlte sich in gewisser Weise geehrt, dass sie ihm dieses Vertrauen entgegenbrachte, wenn auch nur für einen Moment. „Ich verstehe.“

„Darum… Danke. Sie haben mir den Arsch gerettet.“

Conor dachte insgeheim an das, was er am liebsten mit diesem Arsch tun würde. Besonders während sie diesen Bleistiftrock trug. Doch er schob die Fantasie beiseite und konzentrierte sich auf ihre tiefbraunen Augen mit den paar grünen Sprenkeln. Ihre Haut war perfekt, auch wenn sie ein bisschen älter aussah als er. Achtundzwanzig vielleicht? „Ah, gerne doch, Miss ähm…“

„Madlyn“, sagte sie und streckte ihm ihre zierliche Hand entgegen. „Sanchez.“

„Madeleine Sanchez“, wiederholte Con, ergriff ihre Hand und sah sie an. Zarte Haut. Keine Poren. Keine Unreinheiten. Perfekte Nägel.

„Nein, Madlyn, zwei Silben. Mad-lyn.“

„Mad-lyn“, lächelte Con und ließ ihre Hand los.

„Und ja, nochmal: tut mir wirklich leid wegen vorhin. Wenn ich unter Druck stehe, drehe ich manchmal ein bisschen am Rad.“ Sie wich einen Schritt zurück.

Die stilvollste Frau, die er je gesehen hatte und noch dazu eine, die dazu imstande war, sich zu entschuldigen, war im Begriff, aus seinem Leben zu marschieren, und dann würde er sie nie wiedersehen.

„Ich lasse Sie jetzt besser in Frieden.“

„Hören Sie…“ Cons Instinkt schaltete sich ein. Er konnte sie nicht einfach ziehen lassen, ohne zumindest versucht zu haben, bei ihr zu landen, auch wenn eine Frau wie sie wahrscheinlich viel zu anspruchsvoll für einen Mann wie ihn war. Dennoch war es einen Versuch wert. „Ich wollte mir gerade Shrimps und Reis machen. Sie sehen hungrig aus. Ich habe Wein da, und Sie sind die schönste Frau, die mir je die Leviten gelesen hat – und das war jetzt keine billige Anmache. Das ist die Wahrheit. Sie haben der Braut die Show gestohlen, ganz im Ernst.“

Sie wurde rot und schüttelte den Kopf. „Wow, danke.“

„Und, was denken Sie? Dinner? Ich bin ein ausgezeichneter Koch.“

Er hatte gewusst, dass irgendwo in ihrem schönen Gesicht ein Lächeln zu finden sein musste, und endlich kam es zum Vorschein. Selbst wenn sie jetzt gegangen wäre und ihm einen Korb gegeben hätte, wenn er sie nie wieder gesehen hätte, hatte sie ihm zumindest ein umwerfendes Lächeln geschenkt, mit ihren perfekten weißen Zähnen und rosigen Wangen.

„Ich kann nicht.“

Sein Herz zog sich zusammen. „Fuck, einen Versuch war’s wert.“

„Ich meine, meine Klienten warten auf mich. Wir sind zwar mit getrennten Wagen gekommen, doch sie fragen sich bestimmt…“

„Ah, vergiss sie.“

Sie lachte und schüttelte den Kopf, als ob sie versuchte, eher sich als ihn zu überzeugen. „Außerdem muss ich noch nach Hause fahren.“

„Und wo ist das?“

„San Francisco. Ich übernachte bei meiner Cousine, damit wir morgen zu einer Hochzeits-Messe gehen können. Ich muss…“ Ihr Handy klingelte, und sie zog es aus ihrer Handtasche, um zu sehen, wer es war. Er hörte ein leises Seufzen.

„Sie müssen was?“, fragte er. Sie hatte wahrscheinlich einen Freund, zu dem sie zurück musste. Eine Frau wie sie musste mindestens einen Mann haben, der ihr den Hof machte – eher mehr.

„Nichts. Es ist spät. Aber danke. Ich weiß Ihr Angebot wirklich zu schätzen, ähm… ich glaube, Sie haben sich mir noch nicht vorgestellt.“

„Conor O’Neill, der, dem Sie das Herz gebrochen haben.“ Er hob sein Bier – ein Toast auf eine äußerst bemerkenswerte Frau.

Sie lachte, ein perlender Klang, der ihn lächeln ließ. „Freut mich, Sie kennenzulernen. Ich bin Madlyn – der das furchtbar leidtut und die spät dran ist – Sanchez. Doch danke nochmal, dass Sie vorhin meiner Bitte nachgekommen sind.“ Ihre Augen musterten ihn kurz von oben bis unten als sie das sagte, und er bemerkte es. „Bis denn!“

„Bis denn, Miss Sanchez.“

Conor winkte ihr kurz nach, als sie davonging. Sie war nicht nur zurückgekommen, um sich bei ihm zu entschuldigen, sie hatte ihn sogar angelächelt und ihm ihren Namen verraten, sodass er sie jetzt online finden und kontaktieren konnte… Er genoss den Anblick ihres sanft wiegenden Hinterteils in dem schwarzen Bleistiftrock, während sie geschickt durch die Sanddünen stakste.

Ein feines Exemplar.

Kurz bevor sie die Felsen erreichte, hielt sie inne.

„Komm schon, komm schon…“ murmelte Conor. Er hatte weibliches Verhalten schon viele Male in verschiedenen Städten und Ländern in ganz Europa beobachtet. Sie waren alle gleich, sogar Furien wie Madlyn. Sie konnten nicht anders, als vor ihrer angeborenen Neugier zu kapitulieren. Es war ein Spiel, ein schönes Spiel, und er spielte gern.

Dann tat sie es. Sie enttäuschte ihn nicht. Sie drehte den Kopf und warf ihm im schnell schwindenden orangenen Licht noch einen letzten Blick zu. Und bevor sie hinter den Felsen verschwand, schenkte sie ihm noch ein Lächeln, der krönende Abschluss des Tages, den weder Shrimps und Shiraz noch die Aussicht auf sein geliebtes Meer übertreffen konnten.

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