Footballspieler besitzen die ideale Kombination aus Kraft und Ausdauer.
Und sie haben von allen Sportlern den besten Hintern.
Zumindest hat das Sheila, Camille Pollerts beste Freundin, mal behauptet. Sheilas Cousine Mindy dagegen hatte Sheila für verrückt erklärt. Sie bestand darauf, dass an Attraktivität niemand Fußballspieler toppen könnte.
Doch als sie so ungeniert ihren Blick auf den Hintern von Nummer 24 heftete, gab Camille den Punkt eindeutig an Sheila.
Allerdings, da Camille schon seit dem Anfang der Highschool in den Typen, der das Trikot mit der Nummer 24 trug, verknallt war, musste sie annehmen, dass sie wohl etwas voreingenommen war.
Einige Footballspieler grunzten und gingen sich gegenseitig an, und der schrille Laut einer Pfeife erfüllte die Luft. Schnell machte sie ein paar Fotos, dann ging sie am Spielfeldrand entlang. Unentwegt war sie auf der Suche nach dem perfekten Foto, daher nahm sie die Schreie und Rufe der Schüler auf der Tribüne kaum wahr, auch nicht das schiefe Plärren der Marschkapelle.
Als Senior der Highschool war sie bereits seit dem neunten Schuljahr Mitherausgeberin des Jahrbuchs, doch das hier war ihr erster großer Auftrag. Aber sie nahm nicht nur Bilder für das Jahrbuch auf. Einige Fotos machte sie nur für sich, die wollte sie in ihrer Fotokiste aufbewahren, sie zeigten ihren Schwarm, den beliebtesten Jungen der Schule: Heath Dawson, der Spieler mit der Nummer 24.
Camille hörte, wie einer der Trainer dem Schiedsrichter etwas zubrüllte, und der Schiedsrichter ermahnte ihn, sich zusammenzureißen. Was er nicht tat. Sie ging zu der langen Bank hinüber, auf der einige der Heimspieler saßen, alle sahen zu, wie der Coach und der Schiedsrichter sich stritten. Sie machte ein Foto, denn ihr gefiel, wie das Foto die Nervosität wiedergab, die sie in Wellen von den Spielern kommen spürte.
Schließlich entschied der Schiedsrichter auf Abseits gegen die Besucher und verhängte eine 5 Yardstrafe. Die Spieler auf der Bank jubelten, und die Spieler auf dem Feld drängten sich für die nächste Runde zusammen. Camille blieb bei der Bank stehen und schoss Fotos.
Plötzlich sprang Heath in die Luft, um einen Ball zu fangen. Er drehte sich in Richtung gegnerisches Tor und Endzone, schwang sich geschickt um den Cornerback. Plötzlich tauchte der Free Safety wie aus dem Nichts auf, senkte seinen Schulterpanzer und traf Heath mitten in die Brust, so dass der den Ball fallen ließ.
Der Cornerback der Verteidigung drängelte und stürzte sich auf den Ball und eroberte ihn für die Verteidigung.
Das wütende Schrillen der Pfeife ertönte.
Camille stockte der Atem, als Heath reglos auf dem Boden lag. Doch dann, endlich, schüttelte er sich und stand auf. Er sah wütend und niedergeschlagen aus, während er zur Ersatzbank lief.
Sie wurde rot, ihr Herz fing an zu rasen, als ihr klar wurde, dass er direkt auf sie zugelaufen kam, zum Wassertisch, neben dem sie stand. Als er nur noch wenige Meter entfernt war, nahm er seinen Helm ab. Er schüttelte den Kopf, strich sich seine verschwitzten dunklen Locken aus der Stirn und lächelte spielerisch, als ihm ein Teamkollege auf die Schulter klopfte. Doch seine Miene verfinsterte sich, als er hinauf auf die Tribüne zu einem älteren Mann sah – Camille hatte sie oft genug zusammen gesehen, um zu wissen, dass das sein Vater war – der finster dreinblickend etwas brüllte, das sie nicht verstehen konnte.
Heath ging geradewegs an ihr vorbei, ohne sie überhaupt wahrzunehmen, was leider nichts Neues war.
Obwohl Camilles Vater Heath trainiert hatte, als er mit dem Football anfing, hatte sie ihn bis zum neunten Schuljahr nie wirklich getroffen. Doch jener Tag hatte sich für immer in ihr Gedächtnis eingebrannt. Ihre Spinde standen nebeneinander, und als sie versucht hatte, ihre Bücher ganz oben hineinzulegen, war Heath gekommen und hatte ihr geholfen. „Probleme?“, hatte er sie mit einem Grinsen gefragt. Seine Hand hatte ihre gestreift, und rot glühend war sie beiseite gesprungen. Er hatte sie von oben bis unten begutachtet, als versuchte er, sie irgendwie einzuordnen, doch als sie sich dann nicht traute, irgendetwas zu sagen, hatte er die Achseln gezuckt und sich wieder der Unterhaltung mit einem seiner Kumpel gewidmet.
Ihr Herz hatte so gerast, als Heath sie anlächelte und ihr half, dass es sie überraschte, nicht einfach umgekippt zu sein. Nicht vielen Mädchen war es vergönnt, ihm so nah zu kommen, und ihre Dankbarkeit für seine Hilfe wuchs sich zu einer waschechten Schwärmerei aus. Sie machte immer wieder Fotos von ihm in der Schule, träumte davon, dass er sie um ein Date bat und ihr sagte, dass er sie liebte, und jedes Mal, wenn sie sein lautes Lachen im Flur hörte, wurde sie rot. Da ihre Spinde benachbart waren, konnte sie ihn beinahe jeden Tag sehen, obwohl sie nie den Mut aufbrachte, mit ihm zu sprechen. Ihm nahe zu sein, hatte ihr gereicht.
Leider standen ihre Spinde im nächsten Jahr nicht mehr nebeneinander, doch sie hatte immer nach ihm Ausschau gehalten. Sie hatte sein Lächeln sehen und sein Lachen hören wollen, selbst wenn er nicht einmal wusste, dass es sie gab.
Sie war so damit beschäftigt, über die Geschichte mit Heath nachzudenken, dass sie gar nicht bemerkt hatte, dass er direkt neben ihr stand, bis er ihr einen Wasserbecher in die Hand drückte. „Gibst du mir noch was, Kumpel?“, fragte er mit Blick auf das Spielfeld.
Camille starrte verblüfft den Becher an, bevor sie zu stammeln begann: „Ich bin nicht der Wasserjunge.“ Sie warf den Becher zurück in Heaths Richtung.
Ruckartig wandte er ihr seinen Blick zu, und einen Moment lang sah er verwirrt aus, bevor er zu grinsen begann. „Mein Fehler. Du bist definitiv kein Wasserjunge.“
Eher amüsiert als beleidigt sah Camille an sich hinab – Jeans und ein zu großes Footballtrikot, dazu fleckige Tennisschuhe – und zuckte mit den Schultern. „Ich weiß schon, warum du das gedacht hast.“ Sie wollte sich nicht dafür entschuldigen, dass sie so jungenhaft aussah, oder dafür, wie sie sich kleidete.
Heath blinzelte ihr zu. „Nein, es sind nicht deine Klamotten. Es sind die Haare. Die sind zu kurz. Du solltest mal darüber nachdenken, sie wachsen zu lassen.“ Er sah wieder auf das Spielfeld zurück und winkte einem Teamkollegen zu, bevor er sich wieder ihr zuwandte. „Sind wir uns schon mal begegnet? Wie heißt du?“
Sie war nicht überrascht, dass er sie nicht als seine stille Spindnachbarin aus der Neunten erkannte, und fasste sich in ihre Haare. Sie hatte sie immer kurz getragen – im Moment war es kinnlang – weil sie sich mit Frisuren und Makeup nicht wirklich gut auskannte. Ihre Mutter war gestorben als sie fünf war, und ihr alleinerziehender Vater hatte nicht viel für Mode übrig. Außerdem war Camilles naturgewelltes Haar so widerspenstig. Aber vielleicht hatte Heath recht. Vielleicht sah sie wirklich mit so kurzem Haar zu sehr wie ein Junge aus. Dann sträubte sie sich innerlich und war wütend darüber, dass sie überhaupt über seinen Vorschlag nachdachte. Was für ein Recht nahm er sich eigentlich heraus, ihr Stylingtipps zu geben? Als er sie jedoch wieder ansah, eine Braue gehoben, errötete sie und stotterte: „Ich bin Camille.“
„Also. Camille, Mädchen, du solltest mehr essen.“ Nachdem er sie von oben bis unten betrachtet hatte, fügte Heath hinzu: „Du bist viel zu dünn. Mit ein paar Kurven könntest du toll aussehen.“ Sein Blick landete auf ihren Brüsten – oder besser gesagt, ihrem nicht vorhandenen Busen. Sie wusste, dass sie flach und dürr war und nicht gerade wie die Mädchen aussah, mit denen Heath ausging – kurvig, blond und gebräunt – doch sie konnte nicht glauben, dass er solch ein Arsch war.
Er hatte kein Recht, so mit ihr zu sprechen. Er kannte sie ja nicht einmal! Welcher Typ sagte einem Mädchen schon, dass es zu dünn war und mehr essen sollte? Camille aß so viel, wie andere auch.
Heath sah sie immer noch an, und sein Ausdruck war finsterer geworden.
Camille war nicht schnell wütend, doch wenn sie richtig angepisst war, wussten ihre Freunde und ihre Familie, dass sie dafür bitter bezahlen müssten. Sie hatte ihren Mund bereits geöffnet, um ihm zu sagen, er solle sich zum Teufel scheren, als eine barsche Stimme hinter ihr ihm etwas entgegenbellte, so dass sie beide erschraken.
„Könntest du bitte deine Unterhaltung mit dem Wasserjungen beenden und dich ein einziges Mal konzentrieren?“, brüllte ein Mann.
Camille wirbelte herum und sah, wie Heaths Vater auf sie zu gestapft kam. Er sah so wütend aus, dass sie sofort einen Schritt zurück machte und dabei in Heath stieß.
Er legte seine Hand auf ihre Schulter und schob sie sanft hinter seinen Rücken, als wollte er sie tatsächlich vor seinem Vater beschützen.
„Was zum Teufel war das eben?“, tobte Heaths Vater. „Wann geht das endlich in deinen dicken Schädel, dass du ohne Stipendium nirgendwohin gehst?“
Heath warf ihr einen Blick zu, Sorge und noch etwas Düstereres legte sich über seine ohnehin schon finstere Miene. Ein Teil von Camille wäre ihm gerne zu Hilfe geeilt und hätte seinem hasserfüllten Vater am liebsten gesagt, dass Heath der beste Wide-Receiver des Landes war, doch sie war zu gekränkt, weil sein Vater sie, wie Heath, für einen Jungen gehalten hatte.
Wie einen Schild presste sie die Kamera an ihren Körper. Heath sagte etwas, das sie nicht verstand, und sein Dad antwortete: „Du bist ein Mädchen?“
Das war einfach zu viel. Sie schlitterte zum Spielfeld, und obwohl sie meinte, jemand habe ihren Namen gerufen, hielt sie nicht an. Den Rest des Quarters über versteckte sie sich unter den Tribünen, froh darüber, dass man sie in Ruhe ließ, während die Tränen ihr Gesicht hinab strömten. Sie kam sich dumm vor, weil es ihr so nahe ging, was Heath und sein Vater gesagt hatten, doch manchmal war ihr der Spott über ihr Aussehen einfach zu viel.
Nachdem die Tränen getrocknet waren, folgte Wut der Beschämung. Der Hass, den sie nun für Heath empfand, schaltete sämtliche positiven Gefühle, die sie für ihn gehabt hatte, aus, und ihre Schwärmerei endete beinahe so schnell, wie sie begonnen hatte. Was machte es schon, dass er ihr das eine einzige Mal geholfen hatte und sie angelächelt hatte? Was machte es schon, dass er der süßeste Junge der Schule war und ihr Herz höher schlagen ließ? Sie hatte kein Interesse daran, in einen Typen verliebt zu sein, der ein Arschloch war, und wenn sie gewusst hätte, dass er so schrecklich war, hätte sie sich überhaupt nicht ihn verguckt. Er war der Star-Footballspieler gewesen, unerreichbar, gutaussehend und beliebt, und sie hatte ihn von dem Moment an, als sie ihn zum ersten Mal gesehen hatte, vergöttert.
Jetzt jedoch wollte sie nur nach Hause gehen und ihre Hefte zerreißen, in denen sie seinen und ihren Namen auf unzähligen Seiten in Herzchen gekritzelt hatte. Sie wollte das MASH-Spiel verbrennen, in dem ihr vorausgesagt worden war, dass sie Heath heiraten und hundert Kinder mit ihm haben würde und mit ihm in einem Herrensitz leben würde. Und auch die Fotos, die sie von ihm überall in der Schule gemacht hatte, würden im Müll landen. Alles. Mit Heath Dawson war sie durch.
„Hey, was machst du denn da unten?“ Camille drehte sich um und sah ihre beste Freundin Sheila zu ihr klettern, unverkennbar an ihrem leuchtend roten Haar. „Ich dachte, du müsstest heute Abend Fotos machen?“
Camille wischte die letzten Spuren von Tränen fort und hoffte, dass Sheila nicht bemerken würde, dass sie geweint hatte. „War ich ja. Hab ich ja. Ich mache bloß eine Pause.“
„Unter der Tribüne, direkt unter der Marschkapelle?“ Sheila sah nach oben, als einer der Trommler seinen Stab verlor und fluchte.
„Der Platz ist so gut wie jeder andere auch.“
„Ah ja. Ich soll dir also glauben, dass du im letzten Quarter eine Pause einlegst, obwohl du diese Aufgabe unbedingt wolltest, seitdem du dem Jahrbuchteam beigetreten bist?“
Camille warf Sheila einen wütenden Blick zu, doch ihre Freundin lächelte bloß. Seufzend verdrehte Camille die Augen. „Schön. Ich verstecke mich. Glücklich?“
„Nicht, bevor du nicht noch ein paar Details darüber ausspuckst, wer, was, wann, wo, warum und wie sehr.“
„Heath Dawson ist ein Vollidiot.“
Sheilas Brauen gingen so hoch, dass sie unter ihrem Pony verschwanden. „Hat er etwas zu dir gesagt?“
Camille wollte wirklich nicht darüber sprechen, doch sie wusste auch, dass Sheila sie sonst nicht in Ruhe lassen würde. Sie gab also klein bei und erzählte, was Heath und sein Vater über sie gesagt hatten, und bei dem Gedanken daran fühlte sie erneut, wie die heiße Wut gegen ihre Brust drückte. „Wer sagt denn so etwas?“, fragte sie schnaubend.
„Vollidioten wie Heath Dawson beispielsweise und vierfach Vollidioten wie sein Vater. Der Typ ist so streng zu seinem Sohn, dass er mir fast leid tut. Aber ich habe dir schon immer gesagt, dass Heath deine Zeit nicht verdient hat. Aber wolltest du auf mich hören? Neeeeein.“ Sheila gestikulierte in Camilles Richtung. „Und jetzt sieh dich an. Mit gebrochenem Herzen, ausrangiert, ein Schatten deines früheren Selbst.“
Camille schubste ihre Freundin leicht an und lächelte zum ersten Mal. „Du bist doof. Und ich werde nicht zulassen, dass mich das hier zerstört. Das ist er nicht wert.“
„Das ist mein Mädchen! Also, wirst du jetzt ein paar Fotos schießen?“
Camille nahm ihre Kamera und fing an, die Fotos durchzusehen, um zu schauen, ob sie vielleicht schon genug beisammen hatte, die sie Trevor morgen für das Jahrbuch hätte geben können, oder ob sie wirklich nochmal da raus und noch weitere machen musste. Die meisten Bilder waren mittelmäßig, obwohl Camille eine Handvoll fand, die sicherlich gut genug waren, um im Jahrbuch abgedruckt zu werden. Und als sie dann zu denen kam, die sie gemacht hatte, bevor Heath sie beleidigt hatte, brach sie in Lachen aus.
„Was ist los?“ Sheila eilte an Camilles Seite und johlte dann selbst vor Lachen. „Oh, mein Gott, ist das Heath? Was macht Jason in Heaths Schritt?“
Es war eine Actionaufnahme, und Camille hatte irgendwie dieses Foto gemacht, auf dem es so aussah, als hätte Jason sein Gesicht in Heaths Schritt vergraben. Camille und Sheila sahen sich das Bild aus allen Richtungen an, bis sie vor lauter Lachen ganz rot im Gesicht waren und beinahe husten mussten. „Das ist das Beste, was ich je gesehen habe“, meinte Camille zwischen ihren Lachattacken. Sie sah zurück auf das Foto, und der Lachkrampf begann von vorn.
Sheila schnappte plötzlich nach Luft. „Das musst du im Jahrbuch veröffentlichen.“
„Was? Nein! Das würde Mr. Andros niemals erlauben.“
„Und wenn schon! Du kannst es gegen ein anderes Foto austauschen, dann wird er es nie erfahren. Du hilfst doch beim Layout der Seiten und schickst es zum Drucken.“
Camille biss sich auf die Lippe. Die Versuchung war zu groß: Die Rache an Heath wäre zuckersüß, wenn sie dieses spezielle Foto veröffentlichte. Doch Camille war nicht ganz so mutig wie Sheila, und sie wusste, dass es Heath beschämen würde, wenn sie dieses Foto einfügte.
„Ich weiß nicht, was, wenn ich Ärger dafür bekomme?“
Sheila meinte spöttisch: „Wofür denn? Für ein Foto, das du beim Footballspiel dieser Saison aufgenommen hast? Soweit ich weiß, wird man für so etwas nicht gleich der Schule verwiesen.“
„Schon, aber trotzdem.“
„Du bist einfach zu nett. Heath hat dich heute beleidigt, und du machst dir Sorgen um seine Gefühle? Nun komm schon. Er verdient es und noch viel Schlimmeres.“
Camille sah sich das Foto noch einmal an. Sheila hatte recht: Heath hatte es verdient, auf seinen Platz verwiesen zu werden, und er hatte kein Recht, so mit ihr zu sprechen. Heath tat grundsätzlich so, als wäre er das Größte seit der Erfindung der Bratkartoffel, und es wäre eine süße Rache, wenn sie dafür sorgte, dass die Leute über ihn lachten. Außerdem konnte er nie sicher wissen, wer das Foto gemacht und ins Jahrbuch gesetzt hatte.
„Ich werde es tun“, sagte Camille und schickte sich das Foto per Email, um auch sicher eine Kopie davon zu haben. „Ich werde es ins Jahrbuch setzen, und Heath Dawson wird sich wünschen, er wäre nie geboren.“